Direktansprache

"Ein Bot wird nie Empathie und ein Sinn für Humor vermitteln können"

DIREKTANSPRACHE IN DER RECRUITING PRAXIS

Direktansprache wird im deutschen Sprachgebrauch häufig synonym für Executive Search oder auch Direct Search verwendet und traditionell primär mit der Besetzung von vakanten Führungspositionen in Unternehmen durch externe Personalberater bzw. Headhunter verbunden.

Während vor der Digitalisierung der Rekrutierungskanäle das Aufspüren und Kontaktieren potentieller Kandidaten fast zwangsweise zur Beauftragung eines Personalberaters führte, ist das Suchen und Finden personenbezogener Daten – insbesondere via allgemein zugänglicher Plattformen wie XING und LinkedIn – für Arbeitgeber keine Herausforderung und nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG auch rechtlich unzweifelhaft zulässig. Diese direkte Kontaktmöglichkeit ist kein Trendthema mehr sondern wird laut einer empirischen Studie der Uni Bamberg im Mittelstand – in der Regel flankierend zur Stellenanzeigenschaltung – bei knapp der Hälfte der offenen Stellen aktiv eingesetzt.

In Engpassmärkten, in denen die anzeigengestützte Personalsuche häufig fruchtlos bleibt, kommen Arbeitgeber jedoch nicht an der Direktansprache auch im Segment der nicht leitenden Fachkräfte vorbei.

Soweit die im Active Sourcing gewonnenen Daten auch zur Direktansprache genutzt werden, sind bekanntlich nicht nur die Regeln des Datenschutzrechts, sondern vor allem auch die des Wettbewerbsrechts einzuhalten. Während zur Sicherung der Berufsfreiheit den Personalberatern bzw. Headhuntern die telefonische Direktansprache am Arbeitsplatz in engen Grenzen in gefestigter Rechtsprechung (zuletzt bestätigt durch OLG Karlsruhe 6 U 145/00 24 0 2/00) erlaubt ist, ist die ungefragte Übersendung einer Nachricht nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und grundsätzlich unzulässig. Für das Vorliegen einer Einwilligung ist das handelnde Unternehmen beweispflichtig.

Direktansprache

DSGVO VERSCHÄRFT ANFORDERUNGEN AN DIE DIREKTANSPRACHE

In der Praxis wird durch die Anmeldung auf XING oder LinkedIn regelmäßig eine Einwilligung in die Nutzung der im Active Sourcing gewonnenen Daten für die Direktansprache vermutet bzw. (teilweise leichtfertig) unterstellt. Auch nach Einführung der Datenschutz-Grundverordnung, wird weiterhin das schutzwürdige Interesse (Artikel 6 (1) f) DSGVO) des z.B. auf Xing- oder Linkedin-registrierten Talents gegenüber dem Interesse des Verantwortlichen (des um Personal Werbenden) beachtlich, also abzuwägen, sein. Auch dann wird die erkennbar unerwünschte Direktansprache, also die Adressierung von Nachrichten ohne vorherige Einwilligung, z.B. durch ein bestehendes Kontaktverhältnis, nicht in Betracht kommen.

Ob den Arbeitgeber auch mit diesem neuen Regelwerk eine Benachrichtigungspflicht nach Art. 14 Abs. 5 lit b DSGVO trifft, die Erteilung dieser Informationen sich als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, wird im Einzelfall und ggf. durch die Rechtsprechung zu klären sein. Wird aufgrund der Unverhältnismäßigkeit eine direkte Informationsspflicht zu verneinen sein, so müssen Sie als „Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO (also Sie, Inhouse Recruiter oder Hiring Manager) gemäß Art. 14 DSGVO in einer öffentlichen Datenschutzerklärung erklären, was Sie mit den erhobenen Daten auch im Rahmen der Direktansprache planen zu tun.

Auch wenn durch die DSGVO empfindliche Strafen drohen können (10 oder 20 Millionen Euro bzw. 2 oder 4 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes), so sind die datenschutz- und wettbewerbsrechtlichen Risiken bei der Direktansprache überschaubar und nichts ist – auch durch die zahlreichen Workshop-Anbieter – nicht auch erlernbar!

PROFESSIONELLE STRUKTUREN

Ob die Grundinvestionen für den Aufbau von professionellen Strukturen für systematisches Active Sourcing, die Inhouse-Direktansprache in Social Media, für Arbeitgeber ökonomisch Sinn machen, hängt nicht allein von einer hohen Anzahl aktiv zu besetzender Vakanzen sondern ebenso von dem professionellen Umgang der Recruiter mit den digitalen Sourcing Tools sowie der erforderlichen inhaltlichen Zuarbeit des Fachbereichs ab.

Ohne Kenntnis der Suchlogik der eingesetzten Plattformen (Stichworte: Boolesche Suche, Semantische Suche, Validität der Datengrundgesamtheit), die strukturierte Zuarbeit des Fachbereichs in Bezug auf das genaue Anforderungsprofil wird es nicht gehen. Ferner wird es ohne Bereitschaft, sich mit Disziplin um eine hohe Passung der identifizierten Profile zu bemühen, nicht klappen. Nach der oben genannten Studie der Uni Bamberg sind fast ein Drittel der Kandidaten sind von nicht personalisierten Direktansprachen genervt. Es ist zu befürchten, dass durch den Fachkräftemangel der Hang zum Recruitment Spam nicht geringer wird.

FAZIT

Anders als bei der Recherche nach potentiellen neuen Mitarbeitern (für die es nicht zwingend einen kostenintensiven Xing TalentManager braucht), liegen die Herausforderungen bei der professionellen Verwendung der gewonnen Daten für die Direktansprache. An den wettbewerbsrechtlich zu beachtenden Normen hat sich nichts geändert, mit der Datenschutz-Grundverordnung werden die Anforderungen zumindest nicht geringer (Stichwort Informationspflicht gemäß Art. 14 DSGVO, Datenschutz-Folgeabschätzung) und mit der geplanten ePrivacy-Verordnung könnten diese sogar noch steigen.

Beobachten Sie nicht nur die neuen Möglichkeiten der aktiven Rekrutierung sondern sammeln Sie auch Erfahrung im Umgang mit neuen Plattformen. Recruiter sollten sich über die Rechtslage und Anforderungen bewusst sein und ggf. zur rechtlichen Absicherung ihre Aktivitäten dokumentieren.

Solange regelmäßig der Erfolg Ihrer Stellenbesetzungen nicht von der Direktansprache abhängt und Sie mit Stellenanzeigen erfolgreich sind und/oder die aktive Personalwerbung keine ausreichend große „Management Attention“ in Ihrem Unternehmen aufweist, ist die Sinnhaftigkeit des Ressourcenaufbaus für systematisches Active Sourcing und die Verwertung der erlangten Informationen zur Direktansprache innerhalb der Personalfunktion fraglich.

Bitte beachten Sie im Active Sourcing stets, dass auf der „Gegenseite“ ebenso Menschen mit schutzwürdigem Interesse agieren und als solche individuell wahrgenommen werden möchten.

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