Gendergerechte Sprache in Stellenanzeigen

Gendergerechte Sprache in Stellenanzeigen

Was gilt es hierzu zu wissen?

Das Thema „gendergerechte Stellenanzeigen“ im Recruiting bzw. geschlechtsneutrale Sprachverwendung im Allgemeinen erhitzt einige Gemüter. Während die einen es als längst überfälligen Schritt zur Gleichberechtigung feiern, können andere nur mit den Augen rollen und fragen: „Muss das wirklich sein?“ Die Antwort darauf? Es hängt davon ab, wen Sie fragen! Fakt ist jedoch, im Recruiting ist die gendergerechte Formulierung beim Stellenanzeigen schalten rechtlich durch § 11 AGG in Deutschland zwingend.

Aktuelle Studien legen nahe, dass der Einsatz von Gendersternchen und Binnen-I stark vom Kontext abhängt. In der Wissenschaft und bei bestimmten Zielgruppen hat sich das Gendersternchen mittlerweile etabliert – besonders in offiziellen Texten und wissenschaftlichen Publikationen, während andere Teile der Gesellschaft – häufig im politisch konservativen Umfeld – wenig begeistert sind. Aber keine Sorge, wenn Sie eher im handwerklichen oder technischen Bereich Stellenanzeigen aufgeben, könnten Sie sich ohne Scham fragen: „Wozu zur Sternchen-Hölle brauchen wir das wirklich?!“ und werden sich nachfolgend sicherlich auch wieder finden.

Unternehmen, die inklusive Jobanzeigen verfassen, setzen ein klares Zeichen für Diversity. Doch: Ist Gendern in Stellenanzeigen wirklich der Schlüssel zum Erfolg und wie sollte das am besten praktiziert werden? Schauen wir uns beide Seiten an.

Auswirkungen von gendergerechter Sprache in Stellenanzeigen

Viele Unternehmen setzen nicht nur in ihren Stellenanzeigen auf Geschlechtsneutralität um Chancengleichheit zu signalisieren und eine diverse Öffentlichkeit anzusprechen. Diese Formulierungen stärken oft das (Arbeitgeb-)Image und spiegeln die Unternehmenskultur wider. Das Motto ist: Wer Vielfalt lebt, zeigt das auch in der Sprache – natürlich ist das auch ein Aspekt im Employer Branding. Gerade in Zeiten, in denen Fachkräfte rar sind, wirkt ein starkes Employer Branding als Anziehungspunkt für Bewerber. Studien zeigen, dass genderneutrale Stellenanzeigen vor allem Frauen und nicht-binäre Personen ermutigen, sich zu bewerben. Laut Studien besteht eine geschlechtsspezifische Kluft  bei der Eigenwerbung und Begriffe bei Frauen wie „durchsetzungsfähig“ oder „wettbewerbsorientiert“ führen zu weniger Interesse.

Die Harvard-Studie bezog sich jedoch nicht auf Jobtitel wie „Softwareentwickler“ oder „Projektleiter“ – im Englischen gibt es schließlich keine geschlechtsspezifischen Endungen. Es geht vielmehr um geschlechtskodierte Sprache in den Beschreibungen. Solche Begriffe können unbewusste Biases verstärken, was Frauen von der Bewerbung abhalten könnte.

Das generisches Maskulinum

Das generische Maskulinum – wie in Begriffen „Erzieher“ oder „Bäcker“ – wird grammatisch für alle Geschlechter verwendet. Der generische Genus ist zweifelsfrei geschlechtsfrei, hat also nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun. Es geht bei dieser Diskussion jedoch allein darum, dass das generische Maskulinum häufig als männlich wahrgenommen gilt. Also nicht um die Sachebene der deutschen Grammatik sondern um die emotionale Ebene der Kommunikation (dasselbe Phänomen existiert natürlich auch für das – zugegeben seltenere – generische Femininum).

Es wird auch vertreten, dass das generische Maskulinum ein gerechtes und einfaches „Universalum“ und zur Zielerreichung, einer Geschlechtergerechtigkeit in der Gesellschaft, geeignet sei. Gesetzeskonform mit § 11 AGG ist diese Auffassung natürlich nicht und insofern ist die „Schlacht“ über das „Ob“ der gendergerechten Formulierung in Stellenanzeigen lange geschlagen. Interessant ist für die Praxis die Frage nach dem „Wie“ und der Stringenz in der Umsetzung. Im Lichte dessen macht es Sinn, sich über die möglichen Wirkungsformen klarer zu werden.

Kritische Stimmen zum Gendern

Manche sehen das Gendern als aufdringliches politisches „Haltungszeichen“. Das heißt, statt einfach nur eine Stelle zu beschreiben, sendet Ihre Anzeige auch eine Botschaft: „Schaut her, wir sind progressiv!“ Es besteht jedoch die Gefahr, dass dies den eigentlichen Inhalt der Anzeige überdeckt – und Bewerber eher die Unternehmenspolitik wahrnehmen als die Anforderungen des Jobs. Das kann ablenkend und im schlechtesten Fall auch abschreckend wirken, wenn Bewerber und Bewerberinnen statt Qualifikationen nur die politische Haltung des Unternehmens wahrnehmen. Laut einer Duden-Studie fühlt sich fast ein Drittel der Befragten durch stark gegenderte Sprache eher genervt.

Überbetonung des Geschlechts ist ein oft vorgebrachter Kritikpunkt. Wenn auf Geschlechterunterschiede hingewiesen wird, können Qualifikationen in den Hintergrund rücken. In den meisten beruflichen Kontexten spielen jedoch Geschlechter keine Rolle und bestehende Stereotype könnten damit sogar verstärkt werden. Die Zielsetzung der Überwindung von Unterschieden würde damit karikiert.

Auch die Barrierefreiheit ist ein Problem: Menschen mit Sehbehinderungen haben Schwierigkeiten, Gendersternchen oder Binnen-Is mit Screenreadern zu erfassen. Laut dem Blinden- und Sehbehindertenverband sollten solche Sonderzeichen vermieden werden, da viele technische Geräte sie nicht korrekt erkennen können. Ähnlich verhält es sich mit der Leichten Sprache, die Menschen mit kognitiven Einschränkungen nutzen – hier wird Gendern oft als unnötige Hürde betrachtet.

Was sagen die Zahlen? Studien im Überblick

  1. Harvard Business Review: Stellenausschreibungen mit geschlechtskodierten Begriffen wie „durchsetzungsfähig“ oder „dominant“ erhalten deutlich weniger Bewerbungen von Frauen. Neutral formulierte Anzeigen führen zu einer Zunahme weiblicher Bewerbungen um bis zu 40 %. Mehr dazu hier.
  2. Leibniz-Institut für Deutsche Sprache: Rund 50 % der Befragten empfinden Gendersternchen und ähnliche Formen als störend. Weitere Informationen hier.
  3. Duden-Studie: Etwa 30 % der Deutschen sehen die Genderpraxis als unnötig und irritierend an. Diese Ergebnisse sind hier abrufbar.

Exkurs:

Bewusster Einsatz des generischen Femininums in Stellenanzeigen

Der bewusste Einsatz des generischen Femininums ist auch als sprachpolitisches Statement auffindbar. Einige Verwender nutzen diese Form gezielt, um auf die männlich dominierte Sprache aufmerksam zu machen und ein Zeichen für Gleichberechtigung zu setzen. Das generische Femininum wird somit zum bewussten Akt, um die Wahrnehmung von Geschlechterrollen zu hinterfragen und zu verändern. Solche Verwendungen sind oft in bestimmten politischen oder aktivistischen Kontexten zu finden und sollen nach der Sichtweise der Verwender und Verwenderinnen gezielt eine Diskussion anstoßen. Für Unternehmen, die so ein starkes Zeichen setzen wollen, kann der bewusste Einsatz des generischen Femininums daher eine Möglichkeit sein, ihre Werte klar nach außen zu kommunizieren – allerdings sollte bedacht werden, dass diese Form von einigen als polarisierend empfunden werden könnte. Um rechtskonform im Sinne von § 11 AGG zu agieren, sollte dieses Stilmittel stets Disclaimer an passender Stelle erfolgen. 

Bewusste Einsatz von („Mensch“) in Stellentiteln

Die Intention einiger Arbeitgeber, hinter einem Stellentitel „(Mensch)“ zu schreiben, besteht ebenso darin, eine geschlechtsneutrale bzw. geschlechtersensible Ansprache zu betonen und dabei aber den Fokus auf die Person statt auf das Geschlecht zu legen. Es ist ein Versuch, inklusiv zu wirken und gleichzeitig traditionelle Geschlechterrollen zu durchbrechen. Diese Herangehensweise signalisiert, dass das Unternehmen Wert auf die Persönlichkeit und Qualifikation legt, anstatt das Geschlecht der Bewerber und Bewerberinnen in den Vordergrund zu stellen.

Ob der Zusatz „(Mensch)“ als zu unbestimmt oder nicht ausreichend i. S. von § 11 AGG angesehen wird um die gesetzlich geschützten Geschlechtsidentitäten zu erfassen, ist rechtlich ungeklärt jedoch – pro libertare – zu vermuten. Bis es zu einem eindeutigen Gerichtsurteil oder einer Anpassung der gesetzlichen Vorgaben kommt, wäre die etablierte Praxis oder die Verwendung eines Disclaimers an geeigneter Stelle einer Stellenanzeige zu empfehlen.

Während die Absicht inklusiv sein mag, könnte das Wort „Mensch“ auch paradox wirken, indem es die menschliche Ebene besonders betont. Manche könnten es als distanziert oder befremdlich empfinden, da der normale Gebrauch des Wortes „Mensch“ in diesem Kontext als ungewöhnlich wahrgenommen wird.

Es ist es ein gut gemeinter Versuch, Inklusion zu fördern und im Fall der Verwendung von „(Mensch)“ gleichzeitig spalterischen Tendenzen vorzubeugen. Ob die gewünschte Wirkung erzielt wird, erscheint fraglich. Das Risiko von bewusstem Missverstehen besteht – wie fast in allen Lebensbereichen – natürlich auch bei diesen beiden Varianten.

Gendern mit Fingerspitzengefühl: Ein Balanceakt

Der Mittelweg ist entscheidend: Gendergerechte Stellenanzeigen sollten klar und inklusiv sein. Übermäßiger Einsatz von Gendersternchen oder Binnen-Is kann die Lesbarkeit erschweren. Für internationale Stellenanzeigen empfiehlt es sich, geschlechtsneutrale Begriffe wie „Leitung“, „Fachkraft“ oder „Teammitglied“ zu nutzen. Wichtig ist, im Einzelfall zu entscheiden, ob ein politisches Statement bewusst gesetzt werden soll. In manchen Fällen kann dies sinnvoll sein, um bestimmte Unternehmensziele zu erreichen. Die Sprache sollte jedoch stets klar, freundlich und einladend bleiben, ohne zu formelhaft zu wirken.

Vier Empfehlungen für gendergerechte Stellenanzeigen | Best Practices

  1. Geschlechtsneutrale Begriffe: Verwenden Sie Wörter wie „Verantwortliche“, „Teammitglied“ oder „Projektleitung“.
  2. Direkte Ansprache: Sprechen Sie sowohl weibliche, männliche als auch diverse Bewerber und Bewerberinnen ausdrücklich an, und unterstreichen Sie damit, dass Sie Vielfalt fördern und verhalten sich damit völlig konform mit § 611b BGB.
  3. Keine übertriebenen Genderformen: Wenn Sie Gendersternchen und Binnen-I nutzen, sollten Sie die Lesbarkeit wahren und es sinnvoll und nicht zu häufig einsetzten.
  4. Vielfalt direkt ansprechen: Verwenden Sie Formulierungen wie „Wir begrüßen Bewerbungen von Menschen aller Geschlechter, Ethnien und Lebensformen“, um ein klares Zeichen für Diversity in Stellenanzeigen zu setzen.

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Heiko Mühle, Geschäftsführer HRM Consulting GmbH